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Bakterien im Spital

Bakterien im Spital

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Informationen über Bakterien im Spital

An Infektionen in Spitälern sterben mehr Menschen als im Strassenverkehr. Ein nationales Hygieneinstitut würde Leben retten - und erst noch rentieren.
 
Schon kleinste Verunreinigungen können lebensgefährliche Folgen haben. Das zeigt ein Fall, den das Kantonsapothekeramt Bern in seinem aktuellen Jahresbericht öffentlich gemacht hat. In der Intensivstation eines Berner Spitals war es gehäuft zu lebensbedrohlichen Lungenentzündungen gekommen. Die Ursache war schnell gefunden: Burkholderia-Bakterien. Doch woher sie stammten, blieb zunächst unklar. Eine Untersuchung wurde eingeleitet. Die Keime steckten in einer Mundspüllösung, die von der Spitalapotheke hergestellt wurde. Beim Abfüllen hatte man einen mit dem Bakterium verschmutzten Behälter verwendet, der sich nur mangelhaft reinigen liess.
 
Alarmiert durch den Fall, intensivierte das Spital seine Anstrengungen. Und stiess auf ein Ultraschallgel, das mit dem gleichen Keim verunreinigt war. Die Arzneimittelbehörde Swissmedic wurde eingeschaltet, die Quelle der Verschmutzung entdeckt: Der ausländische Hersteller hatte bei der Produktion kontaminiertes Wasser verwendet. Die Fabrik wurde umgehend geschlossen.
 
Der Fall zeigt, wie brisant das Thema Hygiene an Spitälern ist. Nachdem im August in Mainz drei Babys wegen verseuchter Infusionen starben, flammte die Diskussion auch in der Schweiz auf. Aber nur kurz. Die Beteuerung genügte, es handle sich in Mainz um einen tragischen Ausnahmefall. Schon war das Thema wieder vom Tisch.
 
Dabei gäbe es allen Grund, genauer hinzusehen. 60'000 Erkrankungen, 300'000 zusätzliche Spitaltage, über 250 Millionen Franken Mehrkosten – so die bittere Bilanz der Infektionskrankheiten in Schweizer Spitälern. Das müsste wachrütteln.
 
Trotzdem mangelt es an Geld, um die Sauberkeit an Spitälern zu verbessern, sagt Hygienespezialist Gerhard Eich vom Zürcher Triemlispital. «In den Spitälern laufen wir am Limit. Man könnte mehr machen. Aber es fehlen uns die Zeit und das Geld.» Das heisst nicht, dass in den letzten Jahren nicht viel geschehen wäre. Zwei nationale Projekte wurden lanciert, in vielen Spitälern brachten hauseigene Initiativen grosse Verbesserungen. Auf Anstrengung von Hygienespezialisten entstanden etwa in der Ostschweiz oder im Wallis regionale Netzwerke. Über sie können sich auch kleine Spitäler das nötige Fachwissen beschaffen.
 
Die Zahl der Infektionserkrankungen an Spitälern ist trotzdem nicht zurückgegangen. Das ist – bittere Ironie – die Folge des medizinischen Fortschritts. Die Risiken sind grösser geworden, sagt Eich. Denn: Die Patienten sind im Schnitt älter und anfälliger. Chronisch Kranke überleben länger. Die Zahl heikler Operationen ist stark gestiegen. Es werden massiv mehr Prothesen eingesetzt und mehr Organe transplantiert. Chemotherapien für Krebskranke wurden intensiviert. Und immer mehr Keime sind gegen Antibiotika resistent.
Und es fehlt an Spezialisten. Nur grosse Spitäler verfügen heute über eigene Infektiologen. Die mittelgrossen haben lediglich Hygienespezialistinnen; Krankenschwestern mit Zusatzausbildung. Die kleinen Krankenhäuser überhaupt niemanden. Sie sind auf die Hilfe der Grossen angewiesen.
 
«Wir müssen unsere Anstrengungen verstärken», sagt der Genfer Spitalhygieniker Hugo Sax. Seine Forderung: Die Schweiz braucht ein nationales Hygieneinstitut, wie es Deutschland mit dem Robert-Koch-Institut und die USA mit dem Institute for Healthcare Improvement haben. «Wir benötigen dringend eine eigene Institution, die die Hygienemassnahmen national koordiniert, überwacht und schweizspezifische Interventionspläne entwickelt», so Sax. Seine positiven Erfahrungen als Koordinator der nationalen Händehygiene-Kampagne haben ihn in dieser Ansicht bestärkt.
 
Es geht um viel. Heute erkrankt jeder zehnte Patient an einer Spitalinfektion. Von diesen 60'000 Patienten stirbt jeder Zehnte, die meisten allerdings an der Erkrankung, die den Spitalaufenthalt nötig machte. Doch rund 600 Tote gehen auf das Konto von Infektionskrankheiten, die erst im Spital auftraten. Das sind fast doppelt so viele wie die 349 Menschen, die 2009 auf Schweizer Strassen starben.
 
Die Chancen, dass ein nationales Hygieneinstitut eingerichtet wird, sind trotz der grossen Zahl von Opfern gering. Alle entsprechenden Vorstösse der Fachorganisation Swissnoso sind bisher im Sand verlaufen. Als grösstes Problem habe sich dabei die föderalistische Organisation des Gesundheitswesens erwiesen. «Der Bund fühlt sich nicht wirklich zuständig, und die Kantone sind zu klein, um ein solches Zentrum sinnvoll zu betreiben», so Sax.
 
Dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) sind tatsächlich die Hände gebunden. «Die Spitäler unterliegen der Hoheit der Kantone», sagt Sprecher Jean-Louis Zurcher. Das BAG muss deshalb auf die Revision des Epidemiengesetzes hoffen. Danach soll es im Bereich der Infektionserkrankungen und bei Resistenzen von Krankheitserregern mehr Kompetenzen erhalten. Der Gesetzesentwurf wird voraussichtlich noch vor Ende Jahr vom Bundesrat verabschiedet.
 
Auch die Infektiologen erhoffen sich deshalb Unterstützung von ganz anderer Seite: vom Konzept der Fallpauschalen, das 2012 eingeführt wird. Jedes Spital / Krankenhaus wird dann daran interessiert sein, seine Kosten möglichst tief zu halten. Dann werden sie nicht mehr nur ein ethisches, sondern auch ein wirtschaftliches Interesse an mehr Hygiene haben. «Ein gutes Infektionspräventionsprogramm wird sich dann plötzlich rentieren», sagt Gerhard Eich. «Das war bisher nicht der Fall.»
 
Dass sich selbst teure Hygieneprogramme lohnen, hat kürzlich das deutsche Robert-Koch-Institut vorgerechnet. So sei die Anstellung eines im Schnitt 150'000 Euro teuren Hygienikers für ein Spital eine gute Investition. Das Mehr an Hygiene werde kompensiert durch weniger Pflegetage, weniger Medikamente, weniger Verbandsmaterial – und weniger Leid.
 
Das dürfte an Schweizer Spitälern nicht anders sein. Denn Infektionserkrankungen gehen schnell ins Geld. Eine banale Harnwegsinfektion wegen eines Dauerkatheters schlägt zwar nur mit knapp 500 Franken zu Buche. Doch eine Wundinfektion nach einer Herzoperation kostet schnell einmal einen fünfstelligen Betrag.

Quelle: Beobachter - Artikel "Bakterien im Spital machen pro Jahr 60000 Patienten krank"

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